Dass ein Fund von Bodenschätzen die halbe Erde in den Bann zieht, war vielleicht zu Zeiten des Goldrauschs so oder als das erste Erdöl aus einem Bohrloch schoss, aber heute? Mitte Januar füllte eine Entdeckung in einer Eisenerzmine im schwedischen Kiruna die Schlagzeilen: Mehr als eine Million Tonnen seltene Erden sollen dort lagern, sie würden dringend für den Bau einer klimafreundlichen Zukunft gebraucht und könnten zugleich die Macht des bisherigen Beherrschers des Weltmarkts brechen, die von China, das sein Beinahe-Monopol auch in politischen Druck ummünzt.
Aber so einfach ist das nicht mit den seltenen Erden, das beginnt mit dem doppelt in die Irre führenden Namen: Seltene Erden sind keine Erden, sondern Metalle — insgesamt 17, 15 davon im Periodensystem eng nebeneinander unter den Nummern 57 bis 71 —, präziser: Sie sind ihre Oxide, und die nannte man zum Zeitpunkt der Entdeckung der ersten im 18. Jahrhundert "Erden". Zudem sind sie nicht selten, sondern eher häufig — von Cerium gibt es mehr als von Kupfer oder Zink, von fast allen anderen immer noch mehr als von Gold oder Platin —, allerdings sind sie in Mineralien eingebettet, Bastnäsit vor allem, und das zum einen in geringen Konzentrationen und zum anderen immer zu mehreren.
Das macht ihr Erschließen technisch so schwierig wie für die Umwelt problematisch. Man lernte und bezahlte es dort, wo der erste große Fund gelang, 1949 an einem Berg in Kalifornien, dem Clark Mountain (Science News 11. 1.). In der Region hatte man früher Gold und Silber gefunden, nun waren Prospektoren auf der Suche nach etwas ganz anderem: Uran, der atomare Rüstungswettlauf hatte begonnen, die USA brauchten Bombenstoff, und am Clark Mountain begannen die mitgeführten Geigerzähler laut zu ticken. Aber statt Uran lagerte dort ein bräunliches Mineral, das auch radioaktives Thorium enthielt. Die Prospektoren konnten die Schürfrechte trotzdem an eine Bergwerksfirma verkaufen, denn das bräunliche Mineral war Bastnäsit, und die Industrie hatte gerade den vielfältigen Nutzen der darin enthaltenen seltenen Erden entdeckt. Cerium etwa wurde in der Glasbearbeitung gebraucht, Europium für die Leuchtschirme von Farbfernsehgeräten, an vielem anderen hatte und hat das Militär bzw. die Rüstungsindustrie großes Interesse. So entstand auf dem dem Clark Mountain "Mountain Pass", die erste und lange größte Seltene-Erden-Mine der Erde.
Die wurde, wie alle späteren auch, im Tagebau betrieben, man zerkleinerte das Material zunächst mechanisch und löste dann die seltenen Erden aus den Mineralien heraus, mit vielfältigen Verfahren, auch mit harter Chemie, heißer Salzsäure etwa. Das giftige Abwasser, das mit Thorium kontaminiert war, wurde in einen 23 Kilometer entfernten ausgetrockneten See gepumpt, durch eine unterirdische Pipeline. Die rostete an 60 Stellen durch und vergiftete und verstrahlte die Umwelt, 1997 mussten die Betreiber sanieren, bald darauf schlossen sie die Mine. Die war zu der Zeit auch nicht mehr rentabel: Zu Beginn der 1990er-Jahre war mit China ein Konkurrent aufgetaucht, der bald 80 bis 90 Prozent des Weltmarkts beherrschte und sich der damit verbundenen Macht bewusst war: "Der Nahe Osten hat sein Erdöl, wir haben die seltenen Erden", erklärte Partei- und Staatsführer Deng Xiaoping 1992. Die Hälfte dieses Schatzes wurde aus einer einzigen Mine gehoben, Bayan Obo in der Inneren Mongolei, und dort war die Umwelt bald so ruiniert, dass Bewohner erkrankten und Bauern nichts mehr anbauen konnten, die Sorgen gingen bis hinauf zu Chinas Staatsrat — dem höchsten Verwaltungsorgan des Landes —, der 2010 den "ernsten Schaden für die Umwelt" verurteilte. Man fuhr die Produktion zurück, auch um die Vorräte zu schonen und die Preise zu treiben.
Letzteres brachte neue Konkurrenz, kleinere Anbieter in Indien, Brasilien und Malaysia, einen größeren in Australien, er liefert derzeit 15 Prozent des Weltbedarfs. Auch Mountain Pass wurde reaktiviert — auf Weisung Präsident Bidens aus sicherheitspolitischen Gründen —, von dort kommen heute zehn Prozent der seltenen Erden.
Aber der Bedarf stieg immer rascher, weil seltene Erden für Hightech-Geräte wie Mobiltelefone gebraucht werden und weil sie vor allem für die grüne Zukunft gebraucht werden, die Umstellung des Energiesystems: Kein Windkraftwerk ohne seltene Erden, kein Elektroauto ohne sie! Die Folgeprobleme reihen sich ein in die anderen dieses "Wandels von einem treibstoffintensiven Energiesystem zu einem materialintensiven", wie die Internationale Energie-Agentur die technische Revolution beschrieb: "Ein typisches Elektroauto braucht sechsmal so viel mineralische Ressourcen wie ein konventionelles", Windkraftwerke gar neun Mal so viel wie mit Gas betriebene (IEA: The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transition).
Die immensen Mengen sind mit ebensolchen Problemen verbunden, das Kobalt für die Autobatterien wird zu zwei Dritteln im Kongo gefördert — oft von Kindern —, das Nickel für die Batterien kommt oft aus Minen in Indonesien, die die Umwelt ruinieren. Bei den seltenen Erden ist es nicht anders, eher noch ärger, denn ihre Probleme beschränken sich nicht auf den Abbau: Im zweiten Schritt müssen die seltenen Erden voneinander getrennt werden, das ist schwierig, weil sie chemisch und physikalisch eng miteinander verwandt sind (aber einander doch nicht ersetzen können). Deshalb kommen wieder harte Chemikalien zum Einsatz, in China nahe Bayan Oba, wo sie den größten Abwassersee der Erde füllen, er bedroht das Grundwasser und den Gelben Fluss; in Malaysia, wohin die australischen Minenbetreiber ihre Verarbeitung ausgelagert haben, wächst ein Giftmüllberg in die Höhe.
Und in den USA? Dort ist der inzwischen fünfte Betreiber der immer noch einzigen Mine zuversichtlich, bis 2025 eine in allen Schritten umweltschonende Produktion aufbauen zu können. In Schweden wird man ein wachsames Auge darauf halten: Falls der Fund in Kiruna sich bestätigt, könnte der Abbau in etwa zehn Jahren beginnen.